Im Andenken an meinen Doktorvater Prof. Dr. Baldo Blinkert

Es ist gar nicht so lange hier, da saß ich in Professor Blinkerts Methodenunterricht. Mit seiner ruhigen konzentrierten Art weihte er Soziologiestudierende in die Forschungsmethoden und Statistik ein. Wer genau und interessiert zuhörte, entdeckte für sich eine faszinierende Welt. Sein Methodenwissen sollte man sich am besten nicht im Elfenbeinturm aus den „Kochbuchrezepten“ erwerben, sondern im Feld bzw. durch die eigene Forschungspraxis. Das war sein Credo.

Es ging ihm nicht darum, uns von allen denkbaren methodischen Fehlern, die es zu vermeiden gilt, zu bewahren. Ganz im Gegenteil diese mussten wir sogar im Forschungsseminar bewusst machen! Mit verschiedenen Methodenexperimenten, bei denen die Grenzen der „legitimen methodischen Ermessungsspielräume“ absichtlich ausgenutzt werden sollten, ließ er uns selber Erfahrungen damit machen, wie „alternative Fakten“, gar konträre Befunde der sozialen Tatbestände in Befragungen zustande kommen können, um diese dann zu analysieren.

Umfrageergebnisse sollen Objektivität bieten. Und deshalb sind sie allgegenwärtig, in allen Medien, in unserem Alltag und der Arbeitswelt. Wer Nutzen aus Umfragen ziehen will, sollte ihre Fehler und die Manipulationsmöglichkeiten jedoch kennen, so Professor Blinkert. Es bestehen Gefahren der methodischen Realitätskonstruktionen, verkürzte Darstellungen sozialer Daten, manipulative Repräsentationen von statistischen Ergebnissen. Woran erkennt man nun die Qualität der Umfragedaten? Oder wie lässt man sich vom wissenschaftlichen Label nicht blenden? Mit solidem Methodenwissen und der Reflexionsfähigkeit, die eigene methodische Vorgehensweise und die der anderen stets kritisch zu hinterfragen, stattete Professor Blinkert Generationen von Freiburger Soziologinnen und Soziologen für das Leben und die Berufspraxis aus.

Baldo Blinkert verdanke ich nicht nur meine Begeisterung für Statistik und quantitative Forschung, sondern auch die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Laufbahn an der Universität Freiburg und das Gelingen eines einzigartigen russisch-deutschen Kooperationsprojekts sowie meines Dissertationsvorhabens, das aus dieser Studie hervorging. In dieser modernen, sich stets im Wandel befindenden sozialen Welt, war er eine Konstante in meinem Leben, eine Ressource auf die man zurückgreifen, aus der man Kraft und Unterstützung schöpfen konnte. Aus unseren Treffen ging ich gestärkt und zuversichtlich hervor.

Sein stetes Vertrauen in mich, all die Zeit und Freiheit, die er mir bei der Ausarbeitung meiner Dissertation gewährte, spiegelt seine Persönlichkeit wieder. Es war diese seine ganz besondere hilfsbereite und wohlwollende Art, die auch in kritischen Phasen meines Schreibprozesses mir sehr geholfen hat, meine Arbeit erfolgreich zu Ende zu führen.

Ich bin unsagbar traurig über seinen plötzlichen Tod. Zugleich bin ich sehr dankbar und stolz, dass Professor Blinkert all die Jahre mein wissenschaftlicher Mentor war. Seine Lehre gebe ich an die Soziologie Studierenden in Freiburg weiter.

5.12.2017
Irina Siegel
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Soziologie

Zum Seitenanfang Seite drucken